Samstag, 6. Oktober 2012

Auf nach Tierra del Fuego – Feuerland

Von El Calafate nach Rio Grande

An meinem vorletzten Tag in El Calafate bin ich mit Marco, einem Backpacker aus der Schweiz, raus zum Ventisquero Perito Moreno. Die nackten Fakten zum Perito Moreno: 70 Meter hoch ab Wasseroberfläche (unterhalb nochmal 100 Meter), 5 Kilometer breit und 30 Kilometer lang. Der Gletscher ist einer der wenigen weltweit, der noch wächst. Jeden Tag um ca. einen Meter. Wir waren sehr früh morgens dort und hatten den Gletscher für uns alleine. Man hörte das Knacken und Brechen im Eis – hier und da stürzten hausgrosse Eisblöcke in den Largo Argentino. Es war trotz des schlechten Wetters ein sehr beeindruckendes Naturschauspiel.
  

 
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Von El Calafatte ging es dann mit seitlichem Rückenwind 211km an einem Tag in Richtung Rio Gallegos. Am darauf folgenden Tag nochmals 100km und ich war dort. Vom Pazifik zum Atlantik in nur zwei Tagen. In der unschönen Stadt hat mich aber nicht viel gehalten. Eine Nacht im Hostal und weiter. Die letzten Tage waren sehr eintoenig zu fahren. Endlose weite Grassteppe, Schafe, hier und da eine Estancia an der Strasse und Wind, Wind, Wind, Wind, Wind, Wind, Wind….. 24 Stunden am Tag. Der Wind, der mich immer seitlich angeweht hat, war so heftig, dass ich kaum noch Pausen gemacht habe, da ich dann immer auskühlte. Mittagspause war nur noch zusammengekauert hinter Brücken oder Hügeln möglich. Auf- und Abbau des Zeltes wurden jeden Tag zu einer Herausforderung der besonderen Art – und endlich kamen auch mal die Sturmleinen an meinem Zelt zum Einsatz.
   
Filmstreifen
   
Ansonsten war jede Stunde wie die davor und jeder Tag, wie der davor. Die Bilder im Filmstreifen sind an einem Tag im Stundentakt aufgenommen. Schade nur, dass man Wind nicht fotografieren kann. Und ohne Musik – nicht auszuhalten. Unterhalten konnte ich mich nur mit den Schafen, wenn diese nicht gerade fluchtartig weggerannt sind.
  
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Gut, es gab dann doch noch drei erwähnenswerte Ereignisse:
  
Ich bin wieder nach Chile eingereist, da die Grenze auf dem Weg lag. Somit mal wieder Lebensmittelkontrolle. Kein Käse, kein Obst und kein Gemüse durfte über die Grenze. Wohin also mit meinen Äpfeln, Moehren und dem leckeren Käse? Mülltonne – nein danke. Ich bin nun schon so lange unterwegs, dass mich diese SAG-Inspektion nicht mehr wirklich geschockt hat. Kurz vor der Grenze wurde alles fachgerecht verstaut – und keiner hat was gefunden. Trotz Taschenkontrolle.
  
Estrecho de Magellanes. Die Magellanstrasse verbindet den Atlantik mit dem Pazifik und ist neben dem Panamakanal eine beliebte Schiffsroute von einem Ozean zum anderen. Mit der Fähre habe ich diese Wasserstrasse überquert – und musste nichtmal bezahlen. 20 Minuten dauerte die Fahrt und dann war es soweit….. ich war auf
  
TIERRA DEL FUEGO – FEUERLAND !!!! ANGEKOMMEN !!!
  
tierra del fuego
  
Am 03. Oktober um 16:56 Uhr rollten meine Radreifen auf Feuerland. Was für ein Gefühl! Von Alaska nach Feuerland. Mehr als 15 Monate und genau 24.012 Kilometer. Und ich war dort. Dabei war Feuerland genau so unspektakulär, windig und öde wie alles zuvor in den letzten Tagen. Aber alleine dieses Schild über der Strasse zu sehen löste einen Freudenjubel aus.
  
Seinen Namen “Feuerland” verdankt die Insel dem Seefahrer Magellan, der 1520 an der Küste viele Feuer der eingeborenen Yahgan-Indianer entdeckte. Der Lonely Planet sagt über Feuerland: “Tierra del Fuego is isolated and hard to reach, but for true adventure-seekers it’s a must”. Wie wahr. Es war ein langer und harte Weg in den letzten Wochen. Und damit ich daran auch immer schön erinnert werde, wechselte der Asphalt für 150km noch mal zu Schotter. An der Grenze zu Argentinien dann aber wieder wunderschöner Asphalt. Seit gestern bin ich in Rio Grande, eine Stadt mit 68.000 Einwohnern. Auch diese Stadt ist ziemlich trostlos, windumtost und liegt direkt am Atlantik. Wenn die Einwohner hier einkaufen gehen, dann schieben sie den Einkaufswagen zum Auto, laden alles in den Kofferraum und legen den Einkaufswagen anschließend auf den Gehweg, damit der Wind ihn nicht wegweht. Auf den Wegweisern vor Rio Grande findet man nur noch drei Orte: Rio Grande, Tolhuin und Ushuaia. Mehr gibt es auch nicht mehr. Ich bin fast am Ende der Welt angekommen. Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt, ist noch ca. 240 windige Kilometer entfernt. Und bis zur “Bahia Lapataia”, dem Ende aller Strassen, sind es noch weitere 30km. Dort endet dann auch meine Radtour.
   
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Es ist ein komisches Gefühl nach all den Monaten auf der Strasse nun dem Ende entgegen zu radeln. Argentinien - mein 15. und letztes Land, Straßenschilder auf denen die Kilometer bis Ushuaia stehen und das Erreichen von Feuerland – alles Anzeichen, dass es nicht mehr weit ist. Ich habe lange davon geträumt, hier anzukommen. Nun ist es soweit. Wie die letzten Kilometer wohl werden? Und wie wird das Gefühl sein, in Ushuaia anzukommen? Ich würde sagen, ich melde mich wieder aus Ushuaia, wenn das Rad eingepackt in einem Karton auf seinen Rückflug nach Deutschland wartet….
 
Und apropos Argentinien: Auch dieses Land hat so seine Eigenarten. Die Argentinier lieben Mate – einen Tee, der aus henkellosen Tassen mit einem Bombilla (Metalltrinkrohr mit Sieb) getrunken wird. Überall sieht man sie Mate schlürfend sitzen.
Läden und Restaurants haben gewoehnungsbeduerftige Öffnungszeiten. Vor 10:00 Uhr geht gar nichts, zwischen 13:00 und 16:00 Uhr ist dann wieder alles zu und erst dann, am späten Abend, beginnt das wirkliche Leben. Geldautomaten spucken maximal 1.000 Pesos aus und in Supermärkten  gibt es stellenweise keine Plastiktueten mehr – wie erfreulich.
Und dann ist da noch Evita Peron – Don’t cry for me Argentina. Die damalige First Lady des Landes hat sich für das Frauenwahlrecht und die Rolle der Frauen in der Politik eingesetzt und obwohl sie nie offiziell ein politisches Amt bekleidet hat, war sie dennoch eine der einflussreichsten Personen ihrer Zeit. Gehasst von den Militaers und der reichen Oberschicht verstarb sie 1952 im Alter von nur 33 Jahren an Krebs. Noch heute ist Evita für viele Argentinier eine der größten Wohltäterinnen der Nation.
   
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