Freitag, 31. August 2012

Erdbeerhausen in Patagonien

Von Conception zurück zur Ruta 5 bis nach Puerto Montt.
  
Meinen Weg aus Conception führte über die lange Brücke, die den Rio "Bio Bio" überspannt. Dann eine Linkskurve und es ging angenehme 50km neben dem Fluss lang. Der Fluss lag bis 11:00 Uhr total im Nebel während die andere Landschaft zur Abwechslung mal von der Sonne angelacht wurde. Es ist zwar kalt, aber wenigstens kein Regen. Und die ersten Anzeichen von Frühling sind der Natur auch schon anzusehen. Überall gelb blühende Bäume, die einen schönen Kontrast zur ansonsten öden Landschaft bilden. Bevor ich aber die Ruta 5 erreichte, gab es noch einmal 30km Schotterpiste in einem welligem auf und ab.
 
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Zurück auf der Autobahn läuft es dann wieder richtig gut. Mehr als 100km zeigt mein Tacho am Ende der Radtage. Ein paar Tage scheint sogar die Sonne, auch wenn es morgens meistens erst grau in grau und kalt ist. Abwechslung gibt es nicht viel, die Landschaft ist langweilig. Alle 50km kommt eine Autobahntankstelle – für mich immer ein willkommener Stop. Ein heißer Tee, ein paar Kekse oder Schokolade und ordentliche Sanitäranlagen und stellenweise sogar WIFI. So kann man es aushalten. Und Trinkwasser gibt es umsonst aus dem Hahn. Ortschaften liegen auch genug an der Strasse, wo man sich mit allem nötigen versorgen kann. Gegen Mittag halte ich nicht nur für die obligatorische Mittagspause an, sondern auch, um mein Zelt aufzubauen, den Schlafsack rauszukramen und alles zu trocknen. Denn Nachts liegt viel Feuchtigkeit in der Luft und morgens ist alles immer total nass – auch ohne Regen. Und Abends in ein nasses Zelt oder einen feuchten Schlafsack muss nicht wirklich sein. Schlimm genug, dass die Klamotten nicht mal mehr richtig trocknen.
  
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So bin ich in sechs Tagen mehr als 600km in den Süden Chiles geradelt. Am sechsten Tag war ich dann in Frutillar – oder auf deutsch “Erdbeerhausen”. Der Ort hat zwei Ortsteile. Frutillar Alto ist der neue Teil und ein typischer, chilenischer Ort. Frutillar Bajo hingegen ist wie eine deutsche Schrebergartenkolonie. Schöne, gepflegte Holzhäuser. Ordentliche Gärten und sehr sauber. Der Ortsteil  liegt direkt am See Llanquihue. Und wenn man hier her fährt, staunt man nicht schlecht. Läden, Restaurants oder Pensionen tragen Namen wie: Frau Holle, Pension Winkler, Hotel Salzburg, Guten Appetit oder Am kleinen Bach. Ist auch kein Wunder, denn in diesem Ort wird das Erbe der deutschen Siedler hochgehalten. Die ersten deutschen Auswanderer, die um 1860 in diese Gegend gekommen sind, haben das Land urbar gemacht, Siedlungen errichtet und Schulen gebaut. Gut erhaltene Überbleibsel der Siedler kann man im “Museo Colonial Aleman” bestaunen, wo es sogar einen Dreschkasten aus Deutschland gibt.
   
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Ich bin in der Pension Winkler für eine Nacht abgestiegen, da ich den Ort noch etwas erkunden wollte. So war ich unter anderem im “Club Aleman” – dem deutschen Club des Ortes. Das Clubhaus ist auch ein Restaurant und so habe ich unter dem Flair von Hirschgeweihen die deutsche Speisekarte studiert und mir ist das Wasser im Mund zusammen gelaufen. So viele leckere Sachen, die ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gegessen hatte. Da fällt die Auswahl schwer. Letztendlich ist es dann Schweinebraten mit Sauerkraut und Stampfkartoffeln geworden. LECKER!
Ferner habe ich noch das Gebäude der Feuerwehr besucht. Hier fand ich zwei Autos, auf denen auch "Feuerwehr” stand und nicht “Bomberos”. An der Fassade hing ein Bundesadler und darunter ein Schild mit der Inschrift: “Erste Deutsche Feuerwehr Kompanie”. Da kommen schon mal wieder heimatliche Gefühle auf.
  
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Aber auch sonst hat der Ort noch einiges zu bieten. Ein großes Theater wurde am und in den See hinein gebaut, die Uferpromenade hat schöne, kleine Strände und der Blick auf den Vulkan “Osorno” ist zum Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang atemberaubend schön. Der Ort ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Und in meiner kleinen Cabana in der Pension Winkler hatte ich sogar einen Holzofen und konnte seit Monaten mal wieder in einem geheizten Raum schlafen und meine Sachen trocknen. Was für ein Luxus.
  
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Panorama Frutillar 3
   
Bei grauem Wetter ging es dann weiter zum Ende der 1.030km langen Ruta 5 – nach Puerto Montt. Die Hafenstadt mit über 200.000 Einwohnern ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Viel zu bieten hat die rauhe Stadt jedoch nicht. Ich habe nach einer heißen Dusche den Fischmarkt besucht und bin in einen Supermarkt zum einkaufen gegangen. Der Wind pfiff mir eisig kalt durch die Sachen und seit Nachmittag regnet es auch wieder. Also habe ich mich einfach in’s Bett gelegt, den kleinen Gasofen neben meinem Bett angemacht und kann mir in aller Ruhe überlegen wie es weitergeht.
  
Ich bin nun in Patagonien angekommen und vor mir liegt die “Carretera Austral” – eine der schönsten Strassen Amerikas. 1.300 km führt diese Strasse weiter runter in den Süden – von Puerto Montt nach Villa O’Higgins. Schotterpiste, Wellblech, Regen und Wind erwarten mich in einer atemberaubend schönen Landschaft. Da ja auf der Suedhalbkugel Winter ist, sind viele Dienste entlang der Carretera Austral eingeschränkt. Mal schauen, was ich morgen so alles in Erfahrung bringen kann und wie ich mir den Weg runter zusammen puzzle. Auf jeden Fall wird es witterungsbedingt kein Zuckerschlecken werden.
  
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Außerdem ist ein Schweisspunkt an meinem Sattelschlitten wieder gerissen. Muss also morgen noch mal einen Schweißer finden oder einen neuen Sattel kaufen. Und neue Lithium-Batterien für meinen Spot sind auch erforderlich, da das Ding nicht mehr sendet.
 
Zu guter letzt muss ich dann noch eingestehen, dass meine Kraft und meine Motivation merklich nachgelassen haben. Nach fast 22.000km, allen möglichen klimatischen Gegebenheiten sowie Höhen von 0 bis 5.000 Metern fällt es mir morgens immer schwerer aufzustehen und auf das Rad zu steigen. Vorallem die nasse Kälte und die Tristes eines gefühlten deutschen Novembers sitzt in allen Knochen und lässt die Motivation auf Null sinken. Aber die letzten Wochen halte ich auch noch durch, denn solange ist es ja nicht mehr.
Also, Augen zu und durch…. wobei, dann sehe ich von der Carretera Austral ja nichts mehr...Smile.
   

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