Sonntag, 4. November 2012

Greffen, kleinet Duorp in’t Mönsterland

Die letzten Tage in Ushuaia sind schnell rumgegangen und eh ich mich versah, war mein Rad demontiert und stand in einem Radkarton im Hostal. Am 21. Oktober stand dann pünktlich das Taxi vor der Tür und brachte mich zum Flughafen. Ich hatte etwas Übergepäck, aber das hat dort keinen interessiert und so verschwand alles ohne Zuzahlung auf dem Gepäckband. Und dann hieß es “Abschied nehmen” von Amerika. Mit ziemlich gemischten Gefühlen bin ich in den Flieger eingestiegen und eh ich mich versah, waren wir in der Luft und Usuhaia wurde immer kleiner und verschwand schließlich völlig aus meinen Augen. 
   
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Es gab eine kurze Zwischenlandung in El Calafatte und ich erkannte die Straßen unter mir, auf denen ich noch vor wenigen Wochen mit dem Rad unterwegs war. Fünf Stunden nach dem Start erreichte ich dann schon Buenos Aires und wechselte in den großen Flieger, der mich nach Barcelona brachte. Auch hier ein kurzer Zwischenstopp und dann wurde es deutsch. In der Lufthansamaschine wurde ich mit einem freundlichen “Guten Abend” begrüßt und die Passagiere rund herum unterhielten sich auch in Deutsch. Das hatte ich so geballt schon lange nicht mehr gehört. Während des kurzen Fluges nach Düsseldorf wuchs dann die Anspannung von Minute zu Minute, denn gleich würde ich meine Familie nach fast 16 Monaten wiedersehen. Radkarton und Satteltaschen waren fast unbeschadet angekommen, alles wurde auf einen Gepäckwagen geladen (wieso muss man am Flughafen auch 1,- EUR für die Dinger bezahlen und vor allem WO sollte ich einen Euro herbekommen….???) und dann war der große Moment da. Ein großes, weißes Bettlaken wies mir den Weg zu meiner Familie. “Herzlich willkommen Onkel Andre” hatten mein Neffen Luca und Louis darauf geschrieben. Meine Eltern, meine Schwester Sandra und mein Schwager Kai waren da und die Wiedersehensfreue war riesig. Was für ein Moment.
   
mein Schwager Kai fehlt auf dem Bild, da er das Foto gemacht hat...
   
Mein Gepäck wurde dann in’s Auto verladen und meine Eltern haben mich zu meinem Cousin Martin in Düsseldorf gebracht, da ich ja vom Flughafen aus nach Hause radeln wollte. Am nächsten Morgen haben wir erst mal gut gefrühstückt und sind dann in die Stadt gegangen, denn ich brauchte noch eine Radkarte für den Weg nach Hause. Als Martin und ich in einem Buchlanden standen, viel mir der Ortsname nicht mehr ein, an dem ich mich mit meinem besten Freund Tobias treffen wollte. Also fragte ich Martin: “Wie heißt noch mal der Ort, wo ich hin muss?” Er fing darauf hin nur laut an zu lachen und sage: “Greffen!!! Greffen heißt der Ort….” 
Nachdem ich Radkarten gefunden hatte haben wir bei schönstem Herbstwetter noch am Rhein gesessen, waren auf dem Fernsehturm und an der längsten Theke der Welt. Erst spät am Nachmittag habe ich dann mein Rad zusammengebaut und entschieden, einfach noch eine Nacht hier zu bleiben und erst am Mittwoch in Richtung Heimat zu starten.
   
Am Mittwoch Morgen ging es entlang dem Rhein bis Duisburg und von dort auf den Ruhrradweg in Richtung Sauerland. Ein toller Radweg, jedoch habe ich mich das eine oder andere mal etwas verfahren, da in den großen Ruhrpottstädten die Beschilderung manchmal schwer zu finden war. Eine letzte Zeltnacht an der Ruhr stand auch noch auf dem Programm bevor es dann nach Bad Westernkotten ging. 
   
der Rhein im herbstlichen Gewand    und die Ruhr im Nebel 

Hier habe ich dann Tobias getroffen und wir sind die letzten zwei Etappen gemeinsam gefahren. Tobias hatte ein tolles Hotel in Bad Westernkotten gebucht – so einen Luxus hatte ich nicht einmal auf meiner Reise. Und erst mal das Frühstücksbuffet! Von Westernkotten ging es in einer anstrengenden Tagesetappe (25 Kilometer auf ebener Straße mit Asphalt und ohne Wind) nach Rheda-Wiedenbrück wo Abends meine Familie noch mal zum Essen dazu gekommen ist.
Und dann war es soweit: die letzten Kilometer in die Heimat. So um die 20 Radfahrer/innen haben mich auf meinen letzten Kilometern vom Heimathof in Harsewinkel nach Greffen begleitet. Ich kannte die Straßen wieder, wusste den Weg und irgendwann stand es dann einfach so an der Straße – das Ortseingangsschild von Greffen. Auf den Tag genau 16 Monate nach dem ich meine Heimat verlassen hatte, bin ich zurück gekehrt.  
  
die FC-Radfahrer haben mich auf der Ostortstrasse begrt     Angekommen in Greffen
   
Am Bürgerhaus war ein riesiger Empfang – die Gefühle in so einem Moment kann man gar nicht beschreiben…. Der Vorstand vom Schützenverein war da, Spielmannszug, Blasorchester, Ehrengarde, Feuerwehr, die ehemaligen Könige und so viele Menschen die ich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Unsere Bürgermeisterin sowie Norbert hatten nette Willkommensgrüße parat und als dann noch unserer Greffener Heimatlied erklang da war das Gefühlschaos perfekt. Nach einem Umzug durch das Dorf ging es zur “Hubertusklause”, wo es einen Empfang gab und anschließend dann endlich zu mir nach Hause. Ich staunte nicht schlecht, als ich durch den Ortsteil “Neu Beelen” fuhr. Auch hier war die Straße festlich geschmückt und meine Nachbarn haben in der Kälte an der Straße auf mich gewartet um mich zu begrüßen. Zu Hause war die Tenne geheizt, ein Bierfass angeschlossen, es gab etwas zu Essen und mit Familie und Freunden klang ein ereignisreicher Tag aus. Ich bin wieder zu Hause, die Reise ist beendet.
   
Im Bella, Harsewinkel Empfang am Bgerhaus   
     
Empfang am Bgerhaus     Empfang am Bgerhaus
In der Hubertusklause     zu Hause !!!
zu Hause !!!     meine beiden Neffen Luca und Louis
   
Mit dem Ende der Reise endet nun auch der Blog. Doch bevor es soweit ist noch ein ganz großes

DANKE…

…an meine Familie für die Unterstützung während der Reise, für den tollen Empfang am Flughafen und zu Haus und für eine Wohnung, als wäre ich nie weggewesen

…an alle Leserinnen und Leser meines Blogs für das rege Interesse – hätte ich so nie mit gerechnet

…für alle Mails und Kommentare mit netten Worten, Grüßen oder aufbauenden Worten

…an die lokale Presse für die Berichterstattung über die Reise

…an den Vorstand des Schützen- und Heimatvereins für den super Empfang und an alle, die da waren

…an Mario für die digitale Unterstützung in Sachen PC

…an meine Sponsoren, die diese Reise unterstützt haben

…an all die netten Menschen, die ich auf meiner Reise getroffen und kennen gelernt habe. Die mich beherbergt oder mit Essen versorgt haben. Mit denen ich zusammen geradelt bin oder einfach nur ein paar schöne Stunden im Hostel verbracht habe. Ich hoffe, viele von Euch irgendwann mal wieder zu sehen.

I did it my way…..
         


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Samstag, 20. Oktober 2012

54° 48′ S, 68° 18′ W

Ushuaia, la ciudad mas austral del mundo y el fin del mundo.
Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt und das Ende der Welt.
 
Von Rio Grande ging es am vorletzten Radtag nach Tolhuin, dem letzten Ort vor dem Ziel. Hier gab es nochmal eine Casa de Ciclista – die Panaderia “La Union” von Emilio. Panaderia ist spanisch für Bäckerei – und so wunderte es mich auch nicht, dass mein Rad neben Mehlsäcken geparkt wurde. Die Leute hier waren alle super nett und wo man auch ging, überall gab es was leckeres zu futtern – und zwar immer frisch vom Blech. Als ich am nächsten Tag los wollte, schneite es heftig. Da mein letztes Stück Weg noch über den Paso Geribaldi (ca. 500 Meter hoch) führte, riet man mir, lieber noch einen Tag zu warten, da der Schnee oben sehr heftig sein kann. Ich musste nicht groß überredet werden, denn dieser Ort war das Schlaraffenland. Ich habe dann am Vormittag einfach etwas in der Bäckerei mitgeholfen und 300 Empanadas gefüllt und gepresst. Mit lauter argentinischer Musik und Mate war eine gute Stimmung in dem Laden. Und als Arbeitslohn gab es frische Empanadas, Facturas und Churros con Dulce de Leche – so voll gefre…aeh gegessen war ich schon lange nicht mehr.
 
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Gut Versorgt mit Leckerein ging es dann einen Tag speater auf zur letzten Etappe. Die Landschaft änderte sich noch einmal gewaltig. Das öde Grasland verschwand und es wuchsen wieder Bäume und die Anden türmten sich ein letztes mal auf, jedoch nicht von Nord nach Süd, sondern von Ost nach West.
  
An meinem letzten Radtag zog Feuerland noch mal alle Register und zeigte mir, was es kann. Ein Pass, Schnee, Regen, eisige Kälte und extremster Gegenwind haben die letzten 100 Kilometer verdammt lang werden lassen. Manchmal war ich nur noch ein Spielball auf der Strasse, der vom Wind beim bergabfahren fast zum stillstand gebracht wurde oder aber nach rechts an die Leitplanken oder nach links auf die andere Straßenseite gedrückt wurde. Meine Freude auf Ushuaia war verflogen, denn es war einer dieser Radtage, an denen man richtig kämpfen musste, um sein Ziel zu erreichen. Nach mehr als 10 Stunden Schinderei erschienen dann völlig unspektakulär hinter einer Rechtskurve die beiden Holztuerme am Ortseingang von Ushuaia.
  
Ich hatte dieses Bild schon auf so vielen anderen Radseiten gesehen. Und nun stand ich selbst davor. Ein Jubelschrei, ein paar Fotos und eine Passkontrolle – und ich war da. Wenigsten schon mal körperlich. Für mehr hat es an diesem Tag nicht mehr gereicht. Meinen Plan, an der Bahia Lapataia zu zelten, habe ich verworfen, da es bereits nach 19:00 Uhr war und ich keine Lust mehr hatte, noch weitere 25 Kilometer zu fahren. Ab in ein Hostal, und nach Dusche und Essen nur noch schlafen. K.O. auf der letzten Etappe!
 
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Am nächsten Morgen habe ich ein letztes mal meine Satteltaschen an das Rad gehängt und bin raus zum Nationalpark “Tierra del Fuego” und zur Bahia Lapataia. Hier endet die Ruta 3, hier hört die Strasse einfach auf. Schluss, aus, vorbei, Ende. Es geht nicht mehr weiter.
Und solche besonderen Orte sind natürlich auch immer sehr touristisch. Binnen Minuten sprach es sich rum, dass da so ein verrückter Radfahrer ist, der von Alaska bis an das Ende der Welt gefahren ist. Ich musste viele Fragen beantworten, konnte Gratulationen entgegen nehmen und wurde mehr fotografiert, als das bekannte Schild dort. Am aufdringlichsten war eine Gruppe Japaner, die mehr als 300 Fotos geschossen habe. Von mir, meinem Rad, meiner Wasserflasche, dem Radhelm und was sonst noch zu fotografieren ging. Mir wurde dieser ganze Trubel irgendwann zu viel und ich bin umgedreht und zurück nach Ushuaia gefahren.
  
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Ich war zwar nun am Ziel, aber im Kopf war ich noch nicht angekommen. Dazu fehlte einfach die Ruhe. Zurück in der Stadt, habe ich an einem kleinen Kiosk gestoppt, mir - wie schon hunderte male zuvor - eine Cola und Schokolade gekauft und bin runter an den Beagle-Kanal gefahren. Dort habe ich mir einen ruhigen Platz mit tollem Blick auf die Stadt, den Kanal und die Berge gesucht. Mit lauter Musik in den Ohren, einer Flasche Cola und Schokolade war das MEIN Moment, der Moment an dem ich angekommen bin. Über eine Stunde habe ich hier gesessen und es genossen. Ich war angekommen.
  
  
Hinter mir liegt ein unvergessliches Abendteuer, eine unvergessliche Tour durch die Amerikas. Unzählige Eindrücke, Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse kreisen in meinem Kopf.
Dankbar und glücklich blicke ich auf die vergangenen Monate zurück, denn ich hatte die Möglichkeit, einen Traum zu leben.
Im laufe der Reise habe ich das Ziel “Feuerland” nie aus den Augen verloren, jedoch hat es an Bedeutung etwas verloren. Der Weg ist mein Ziel geworden. Es gab unzählige Momente, die intensiver, schöner und prägender waren, als in Ushuaia über die Ziellinie zu fahren. Ushuaia war das große Finale einer Tour, die die Welt etwas kleiner gemacht hat.
  
Das Rad ist verpackt und am Sonntag geht der Flieger zurück in die Heimat. Ich freue mich riesig endlich meine Familie, meine Freunde und Greffen wieder zu sehen. Gleichzeitig stelle ich mir aber auch die Frage, wie es wohl sein wird, nach so langer Zeit wieder in Deutschland zu sein. Um den Kulturschock nicht zu groß werden zu lassen und um die Tour gebührend ausklingen zu lassen, werde ich vom Flughafen in ein paar Tagen nach Hause fahren.
  
Und wer Zeit und Lust hat, ist herzlich eingeladen, mich auf den letzten Kilometern zu begleiten. Am Samstag, den 27.10.2012, werde ich so gegen 12:00 Uhr auf dem Heimathof in Harsewinkel sein.  Um 12:30 Uhr geht es von dort dann die letzten Kilometer über die Ostortstrasse nach Greffen. Nach Hause!!!
 
Und wen es interessiert, wie es am Ende der Welt so aussieht, dem sei gesagt, dass Ushuaia wunderbar zwischen schneebedeckten Bergen und dem Beagle-Kanal liegt. Landschaftlich ein Traum. Die Stadt an sich ist aber schnell erkundet. In der Hauptstrasse reiht sich ein Nippes-Laden neben dem anderen, gefolgt von Outdoor-Läden, Hotels, Cafés und Restaurants. Zum Ausklang der Tour genau das Richtige….
 
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Panorama Ushuaia 6
 
I did it my may.
 
   

Donnerstag, 11. Oktober 2012

I did it my way


Anchorage, Alaska, USA ---> Ushuaia, Tierra del Fuego, Argentinien
  
01.07.2011 ---> 10.10.2012
  
24.525 Kilometer
  
 
Bahia Lapataia - Am Ende aller Strassen


And now, the end is near; And so I face the final curtain.
My friend, I'll say it clear, I'll state my case, of which I'm certain.
I've lived a life that's full. I've traveled each and ev'ry highway;
And more, much more than this, I did it my way.
  
Regrets, I've had a few; But then again, too few to mention.
I did what I had to do and saw it through without exemption.
I planned each charted course; Each careful step along the byway,
But more, much more than this, I did it my way.
  
Yes, there were times, I'm sure you knew
When I bit off more than I could chew.
But through it all, when there was doubt, I ate it up and spit it out.
I faced it all and I stood tall; And did it my way.
  
I've loved, I've laughed and cried. I've had my fill; my share of losing.
And now, as tears subside, I find it all so amusing.
To think I did all that; And may I say - not in a shy way,
"Oh No, oh no not me, I did it my way"
 
For what is a man, what has he got?
If not himself, then he has naught. To say the things he truly feels;
And not the words of one who kneels.
The record shows I took the blows - And did it my way!
  
Frank Sinatra
           
     

Samstag, 6. Oktober 2012

Auf nach Tierra del Fuego – Feuerland

Von El Calafate nach Rio Grande

An meinem vorletzten Tag in El Calafate bin ich mit Marco, einem Backpacker aus der Schweiz, raus zum Ventisquero Perito Moreno. Die nackten Fakten zum Perito Moreno: 70 Meter hoch ab Wasseroberfläche (unterhalb nochmal 100 Meter), 5 Kilometer breit und 30 Kilometer lang. Der Gletscher ist einer der wenigen weltweit, der noch wächst. Jeden Tag um ca. einen Meter. Wir waren sehr früh morgens dort und hatten den Gletscher für uns alleine. Man hörte das Knacken und Brechen im Eis – hier und da stürzten hausgrosse Eisblöcke in den Largo Argentino. Es war trotz des schlechten Wetters ein sehr beeindruckendes Naturschauspiel.
  

 
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Von El Calafatte ging es dann mit seitlichem Rückenwind 211km an einem Tag in Richtung Rio Gallegos. Am darauf folgenden Tag nochmals 100km und ich war dort. Vom Pazifik zum Atlantik in nur zwei Tagen. In der unschönen Stadt hat mich aber nicht viel gehalten. Eine Nacht im Hostal und weiter. Die letzten Tage waren sehr eintoenig zu fahren. Endlose weite Grassteppe, Schafe, hier und da eine Estancia an der Strasse und Wind, Wind, Wind, Wind, Wind, Wind, Wind….. 24 Stunden am Tag. Der Wind, der mich immer seitlich angeweht hat, war so heftig, dass ich kaum noch Pausen gemacht habe, da ich dann immer auskühlte. Mittagspause war nur noch zusammengekauert hinter Brücken oder Hügeln möglich. Auf- und Abbau des Zeltes wurden jeden Tag zu einer Herausforderung der besonderen Art – und endlich kamen auch mal die Sturmleinen an meinem Zelt zum Einsatz.
   
Filmstreifen
   
Ansonsten war jede Stunde wie die davor und jeder Tag, wie der davor. Die Bilder im Filmstreifen sind an einem Tag im Stundentakt aufgenommen. Schade nur, dass man Wind nicht fotografieren kann. Und ohne Musik – nicht auszuhalten. Unterhalten konnte ich mich nur mit den Schafen, wenn diese nicht gerade fluchtartig weggerannt sind.
  
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Gut, es gab dann doch noch drei erwähnenswerte Ereignisse:
  
Ich bin wieder nach Chile eingereist, da die Grenze auf dem Weg lag. Somit mal wieder Lebensmittelkontrolle. Kein Käse, kein Obst und kein Gemüse durfte über die Grenze. Wohin also mit meinen Äpfeln, Moehren und dem leckeren Käse? Mülltonne – nein danke. Ich bin nun schon so lange unterwegs, dass mich diese SAG-Inspektion nicht mehr wirklich geschockt hat. Kurz vor der Grenze wurde alles fachgerecht verstaut – und keiner hat was gefunden. Trotz Taschenkontrolle.
  
Estrecho de Magellanes. Die Magellanstrasse verbindet den Atlantik mit dem Pazifik und ist neben dem Panamakanal eine beliebte Schiffsroute von einem Ozean zum anderen. Mit der Fähre habe ich diese Wasserstrasse überquert – und musste nichtmal bezahlen. 20 Minuten dauerte die Fahrt und dann war es soweit….. ich war auf
  
TIERRA DEL FUEGO – FEUERLAND !!!! ANGEKOMMEN !!!
  
tierra del fuego
  
Am 03. Oktober um 16:56 Uhr rollten meine Radreifen auf Feuerland. Was für ein Gefühl! Von Alaska nach Feuerland. Mehr als 15 Monate und genau 24.012 Kilometer. Und ich war dort. Dabei war Feuerland genau so unspektakulär, windig und öde wie alles zuvor in den letzten Tagen. Aber alleine dieses Schild über der Strasse zu sehen löste einen Freudenjubel aus.
  
Seinen Namen “Feuerland” verdankt die Insel dem Seefahrer Magellan, der 1520 an der Küste viele Feuer der eingeborenen Yahgan-Indianer entdeckte. Der Lonely Planet sagt über Feuerland: “Tierra del Fuego is isolated and hard to reach, but for true adventure-seekers it’s a must”. Wie wahr. Es war ein langer und harte Weg in den letzten Wochen. Und damit ich daran auch immer schön erinnert werde, wechselte der Asphalt für 150km noch mal zu Schotter. An der Grenze zu Argentinien dann aber wieder wunderschöner Asphalt. Seit gestern bin ich in Rio Grande, eine Stadt mit 68.000 Einwohnern. Auch diese Stadt ist ziemlich trostlos, windumtost und liegt direkt am Atlantik. Wenn die Einwohner hier einkaufen gehen, dann schieben sie den Einkaufswagen zum Auto, laden alles in den Kofferraum und legen den Einkaufswagen anschließend auf den Gehweg, damit der Wind ihn nicht wegweht. Auf den Wegweisern vor Rio Grande findet man nur noch drei Orte: Rio Grande, Tolhuin und Ushuaia. Mehr gibt es auch nicht mehr. Ich bin fast am Ende der Welt angekommen. Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt, ist noch ca. 240 windige Kilometer entfernt. Und bis zur “Bahia Lapataia”, dem Ende aller Strassen, sind es noch weitere 30km. Dort endet dann auch meine Radtour.
   
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Es ist ein komisches Gefühl nach all den Monaten auf der Strasse nun dem Ende entgegen zu radeln. Argentinien - mein 15. und letztes Land, Straßenschilder auf denen die Kilometer bis Ushuaia stehen und das Erreichen von Feuerland – alles Anzeichen, dass es nicht mehr weit ist. Ich habe lange davon geträumt, hier anzukommen. Nun ist es soweit. Wie die letzten Kilometer wohl werden? Und wie wird das Gefühl sein, in Ushuaia anzukommen? Ich würde sagen, ich melde mich wieder aus Ushuaia, wenn das Rad eingepackt in einem Karton auf seinen Rückflug nach Deutschland wartet….
 
Und apropos Argentinien: Auch dieses Land hat so seine Eigenarten. Die Argentinier lieben Mate – einen Tee, der aus henkellosen Tassen mit einem Bombilla (Metalltrinkrohr mit Sieb) getrunken wird. Überall sieht man sie Mate schlürfend sitzen.
Läden und Restaurants haben gewoehnungsbeduerftige Öffnungszeiten. Vor 10:00 Uhr geht gar nichts, zwischen 13:00 und 16:00 Uhr ist dann wieder alles zu und erst dann, am späten Abend, beginnt das wirkliche Leben. Geldautomaten spucken maximal 1.000 Pesos aus und in Supermärkten  gibt es stellenweise keine Plastiktueten mehr – wie erfreulich.
Und dann ist da noch Evita Peron – Don’t cry for me Argentina. Die damalige First Lady des Landes hat sich für das Frauenwahlrecht und die Rolle der Frauen in der Politik eingesetzt und obwohl sie nie offiziell ein politisches Amt bekleidet hat, war sie dennoch eine der einflussreichsten Personen ihrer Zeit. Gehasst von den Militaers und der reichen Oberschicht verstarb sie 1952 im Alter von nur 33 Jahren an Krebs. Noch heute ist Evita für viele Argentinier eine der größten Wohltäterinnen der Nation.
   
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1.000 km zum letzten

 
03.10.2012 - 14:54 Uhr
Chile, 12 km vor Feuerland
   Das war der letzte Tausender meiner Reise!
 

Sonntag, 30. September 2012

Die Odyssee von Chile nach Argentinien

Der “normale” Weg von Villa O’Higgins nach El Chalten ist 70km lang. Zwar muss man hier auch so manches mal schieben, aber es ist die kürzeste Verbindung von Chile nach Argentinien. Da der Grenzposten aber erst am 01. November öffnet, musste ich einen etwas anderen Weg nehmen. Von O’Higgins erst mal 6km zurück auf der Carretera Austral und dann hoch zum “Paso Rio Meyer”. Nach 47km stand ich dann vor der chilenischen Migration. Der Grenzbeamter begrüßte mich mit Handschlag und in der guten Stube durfte ich unter dem Bild des Präsidenten platz nehmen, während er meinen Pass studierte und feierlich den Ausreisestempel reindrueckte. Dann nahm er ein kleines Blatt Papier und malte etwas auf. Als wir wieder vor der Tür standen, erklärte er mir seine Skizze, die den weiteren Weg darstellen sollte. Ganz einfach: am Fluss entlang, wenn von links ein Fluss kommt, diesem bis zur Brücke folgen, dann die Strasse entlang, rechts am Berg vorbei und dann ist da die argentinische Migration. Es war 16:00 Uhr als ich meinen Drahtesel in das Niemandsland schob. Und schieben war bis zur argentinischen Grenze angesagt, denn es gab keinen fahrbaren Weg mehr, sondern nur noch Steine, Schotter, Wasser, Sumpf und Dreck. Und da ich für sechs Tage im Nichts unterwegs war, war mein Rad mit Lebensmitteln beladen, wie noch nie zuvor und dementsprechend schwer. Als von links der Fluss kam, gab es keinen Weg an seinem Ufer entlang. Also zurück und einen anderen Weg finden. Durch sumpfigen Morast hievte ich mein Fahrrad auf einem Umweg zum Fluss. Dann ging es über riesige Kieselsteine weiter – mehr tragen als schieben. Nach etwas über einem Kilometer sollte die Brücke kommen – aber es kam nichts. Nicht nach einem und nicht nach zwei Kilometern. Ich ließ mein Rad auf dem Boden liegen und ging zu Fuss weiter, um die Brücke zu suchen, fand sie aber nicht.

Ian hat die Bruecke gefunden und mir eine Nachricht hinerlassen...

Dafür aber eine Stelle, wo der Gebirgsbach sich in drei Arme aufteilte. Hier sah ich meine Chance, rueber zu kommen. Das Rad bis zu dieser Stelle getragen, Schuhe, Socken und Hose aus und Badelatschen an. Mit den ersten beiden Taschen tauchte ich in die eisig kalten Fluten ein. Den ersten Arm konnte ich mit seinem knietiefen Wasser ohne Probleme queren. Der zweite Arm war tiefer und hatte eine wahnsinnige Strömung. Ich hatte Mühe, mein Gleichgewicht zu halten. Wäre mir eine Tasche in das Wasser gefallen – sie wäre für immer weg gewesen. Mit Mühe und Not kam ich wieder am Ufer an – und die Strömung hatte mir die Badelatschen von den Fuessen gezogen. Barfuss ging es durch den dritten Arm. Nach der ersten Querung hatte ich schon fast kein Gefühl mehr in den Fuessen, so kalt war es. Barfuss ging es wieder zurück zum anderen Ufer. Barfuss auf den Steinen im Fluss zu gehen, war schon schwierig. Also habe ich meine Schuhe wieder angezogen und bin noch drei mal hin und her. Die letzte Querung mit meinem Rad war dann noch mal eine besondere Herausforderung. Die ganze Aktion hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Von den Knien an abwärts hatte ich vor Kälte kein Gefühl mehr. Und dann noch nasse Schuhe. Ich wollte nur noch in’s Zelt. Aber zelten war hier nicht möglich, da ein heftiger Sturm durch das Tal fegte und ich mein Zelt so nicht aufstellen konnte. Am Horizont sah ich Sträucher und Bäume, die etwas Schutz boten. Nach weiteren 40 Minuten war ich endlich dort und konnte mein Zelt aufstellen – und ab in den Schlafsack, Fuesse aufwärmen. Es war schon 20:00 Uhr – und in den letzten vier Stunden hatte ich nicht wirklich viele Kilometer geschafft. War mir in diesem Moment aber ziemlich egal, hauptsache die Fuesse wurden wieder warm.
 
Am nächsten Morgen ging die Odyssee dann weiter. Wo war nur die verdammte Strasse? Ich schob durch das Tal hin und her und fand keinerlei Anzeichen von Zivilisation. Als ich hinter einem Hügel suchte, fand ich endlich die Brücke – nur leider etwas zu spät. Hügel – ein gutes Stichwort. Hier erst mal hoch und sich einen Überblick von oben verschaffen. Und dann sah ich sie – Autospuren. Freudestrahlend ging es wieder runter und ich schob zu diesen Spuren. Aber den Weg, den die Spuren durch das Tal machten, kam mir sehr komisch vor. So langsam kam ich mir etwas verloren vor. Als die Spuren noch völlig aus der Richtung verliefen und auf eine Hochebene gingen, kam etwas Verzweiflung auf. Aber ich bin ihnen weiter gefolgt, denn es gab nichts anderes. Nach endlosen Stunden sah ich in der Ferne einen Gaucho auf seinem Pferd. Ich schrie und winkte wie ein Irrer – und er bemerkte mich und kam auf mich zu. Ich fragte nach dem Weg zur Migration – er grinste nur und sagte, dass das der Weg ist. Mir viel eine Zentner schwere Last von der Seele. Und am nächsten Bach den ich barfuss queren musste, fand ich dann zu meiner Überraschung auch Radspuren von Ian, der mir ein oder zwei Tage voraus war.
  
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Bis zur argentinischen Migration war es noch ein langer, harter Weg – ohne eigentlichen Weg. Schieben, tragen, Bäche queren. Gegen 16:00 Uhr hatte ich dann endlich den argentinischen Stempel in meinem Pass. 12 Stunden Schiebezeit hatte ich für 15 Kilometer gebraucht – was für eine Qual. Aber meine Odyssee war noch nicht zu Ende. Der starke Wind, der auf der Ostseite der Anden weht, schob mich Schotterhügel hoch, ohne das ich treten musste. Drehte die Strasse jedoch unglücklich in den Wind, drückte der Wind mich von der Strasse oder warf mich fast vom Fahrrad. Am späten Abend hatte ich einen kleinen Pass erreicht und vor mir lag die endlose argentinsiche Pampa. Oben am Pass boten mir noch einige Sträucher Schutz vor dem Sturm und so stellte ich mein Zelt hier auf – beschwert mit allem, was ich dabei hatte, damit der Wind mir das Zelt nicht wegwehte. Mit gutem Rückenwind ging es am nächsten Tag dann runter in die Pampa. Jedoch konnte ich den Rückenwind nicht nutzen, denn auf der schlechten Schotterpiste war schnelles Fahren unmöglich. Zu meiner grossen Freude floss auch noch ein 25 Meter breiter Fluss mitten durch die Strasse – eine Brücke suchte ich vergebens. Meine Worte bei dem Anblick dieses Gewaessers gebe ich an dieser Stelle lieber nicht wieder. Mit meinen gerade wieder trockenen Schuhen ging es erneut mehrfach durch das braune, kalte Wasser. 70km bin ich an diesem Tag gefahren, dann endlich stand ich vor der Ruta 40 und sah Asphalt. Mit gutem Rückenwind brauchte ich die nächsten 55km kaum in die Pedalen treten und flog fast über die Strasse. Für diese Strecke habe ich keine zwei Stunden gebraucht – Radfahren kann ja sooooo schön sein. Nach 55km war dann aber wieder Schluss mit Teer und der Schotter kam zurück. Doch nicht mehr heute. Ich stellte mein Zelt in einer alten Hausruine auf, die mich so einladend dazu aufgefordert hat, hier Windschutz zu suchen. Oder was bedeutet “No Pasar”???
  
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Die nächsten Tage auf der Ruta 40 erinnerten mich an den Film “Und täglich gruesst das Murmeltier”. Jeder Tag war wie der andere. Horrormaessig schlechte Schotterpiste führte durch die Baum- und Strauchlose Pampa. Jedes Verkehrsschild war eine willkommene Abwechslung für das Auge. Keine drei Autos am Tag, kein Haus, keine Zivilisation.  Wann immer ich ein Auto sah, bin ich vor den Kühler gesprungen, um nach Wasser zu fragen. Die Odyssee wollte und wollte kein Ende nehmen. Der Schotter war wirklich der schlechteste, auf dem ich je gefahren bin. Und anstatt Regen gab es zur Abwechslung Wind, Wind oder Wind.
  
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Einen Abend konnte ich auf einer Estancia mein Zelt aufstellen. Es gab sogar Cola zu kaufen und vier Empanadas als Geschenk dazu. Ich war im siebten Himmel. Sieben Tage hat die Fahrt von Villa O’Higgins nach El Calafate gedauert. Dazwischen nur ein kleiner Ort (Tres Lagos) mit 190 Einwohnern, einer Bäckerei und einem kleinen Supermarkt. Hier konnte ich noch mal etwas Verpflegung nachkaufen und in einer guten Hospedaje übernachten. Nur gut, dass ich in Puerto Montt schon etwas Geld in argentinische Pesos gewechselt hatte. Zwei Kilometer nach Tres Lagos setzte dann endlich wieder der Asphalt ein. Ich war heilfroh, dass mein Rad diesen Ritt unbeschadet überstanden hat. Bis auf eine angerissene Kette, völlig abgenutzte Bremsen und einen erledigten Radfahrer war alles in Ordnung.
 
El Calafate war nach all den Tagen die Oase mitten in der Pampa. Viele Hostales, Geldautomaten, Supermärkte, Restaurants – auf gut deutsch: das Schlaraffenland. Hier bin ich nun seit drei Tagen, um mich etwas zu erholen und um meine Erkältung auszukurieren, die ich mir im kalten Wasser geholt habe. Das der Weg zum Ende der Welt noch mal so hart werden würde, hätte ich niemals gedacht. Alleine die ganzen Lebensmittel die ich mitgeschleppt habe, die nicht vorhandene Wasserversorgung sowie die Einsamkeit haben die letzten Tage mit zu den härtesten der Tour gemacht. Ich habe Ian in El Calafate wiedergetroffen. Und bei einem Bier und gutem Essen haben wir die letzten Tage etwas Revue passieren lassen. Und es war gut zu hören, dass auch er die gleichen Erfahrungen gemacht hat wie ich. Am Ende des Abends konnten wir beide schon wieder über diesen Teil der Tour lachen..
  
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Und zum Schluss:
 
Von Puerto Montt bis Tres Lagos waren es 1.605 Kilometer. Davon knappe 300km auf Asphalt, der Rest auf Schotter, wobei der Schotter von Kilometer zu Kilometer schlechter wurde.
 
El Chalten und den Fitz Roy habe ich ausgelassen, da mich das drei Tage gekostet hätte. Ich habe den Berg auch von der Strasse aus gesehen, auch wenn das wahrscheinlich nicht so spektakulär ist, wie an seinen Fuessen zu stehen. Aber die Zeit wird langsam etwas knapp.
 
Mein “Spot” sendet kein Signal mehr, da ich dem Ende der Welt immer näher komme und es hier keine Sattelitenabdeckung mehr gibt. Knappe 1.000 Kilometer sind es noch bis Ushuaia…..