Freitag, 31. August 2012

Erdbeerhausen in Patagonien

Von Conception zurück zur Ruta 5 bis nach Puerto Montt.
  
Meinen Weg aus Conception führte über die lange Brücke, die den Rio "Bio Bio" überspannt. Dann eine Linkskurve und es ging angenehme 50km neben dem Fluss lang. Der Fluss lag bis 11:00 Uhr total im Nebel während die andere Landschaft zur Abwechslung mal von der Sonne angelacht wurde. Es ist zwar kalt, aber wenigstens kein Regen. Und die ersten Anzeichen von Frühling sind der Natur auch schon anzusehen. Überall gelb blühende Bäume, die einen schönen Kontrast zur ansonsten öden Landschaft bilden. Bevor ich aber die Ruta 5 erreichte, gab es noch einmal 30km Schotterpiste in einem welligem auf und ab.
 
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Zurück auf der Autobahn läuft es dann wieder richtig gut. Mehr als 100km zeigt mein Tacho am Ende der Radtage. Ein paar Tage scheint sogar die Sonne, auch wenn es morgens meistens erst grau in grau und kalt ist. Abwechslung gibt es nicht viel, die Landschaft ist langweilig. Alle 50km kommt eine Autobahntankstelle – für mich immer ein willkommener Stop. Ein heißer Tee, ein paar Kekse oder Schokolade und ordentliche Sanitäranlagen und stellenweise sogar WIFI. So kann man es aushalten. Und Trinkwasser gibt es umsonst aus dem Hahn. Ortschaften liegen auch genug an der Strasse, wo man sich mit allem nötigen versorgen kann. Gegen Mittag halte ich nicht nur für die obligatorische Mittagspause an, sondern auch, um mein Zelt aufzubauen, den Schlafsack rauszukramen und alles zu trocknen. Denn Nachts liegt viel Feuchtigkeit in der Luft und morgens ist alles immer total nass – auch ohne Regen. Und Abends in ein nasses Zelt oder einen feuchten Schlafsack muss nicht wirklich sein. Schlimm genug, dass die Klamotten nicht mal mehr richtig trocknen.
  
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So bin ich in sechs Tagen mehr als 600km in den Süden Chiles geradelt. Am sechsten Tag war ich dann in Frutillar – oder auf deutsch “Erdbeerhausen”. Der Ort hat zwei Ortsteile. Frutillar Alto ist der neue Teil und ein typischer, chilenischer Ort. Frutillar Bajo hingegen ist wie eine deutsche Schrebergartenkolonie. Schöne, gepflegte Holzhäuser. Ordentliche Gärten und sehr sauber. Der Ortsteil  liegt direkt am See Llanquihue. Und wenn man hier her fährt, staunt man nicht schlecht. Läden, Restaurants oder Pensionen tragen Namen wie: Frau Holle, Pension Winkler, Hotel Salzburg, Guten Appetit oder Am kleinen Bach. Ist auch kein Wunder, denn in diesem Ort wird das Erbe der deutschen Siedler hochgehalten. Die ersten deutschen Auswanderer, die um 1860 in diese Gegend gekommen sind, haben das Land urbar gemacht, Siedlungen errichtet und Schulen gebaut. Gut erhaltene Überbleibsel der Siedler kann man im “Museo Colonial Aleman” bestaunen, wo es sogar einen Dreschkasten aus Deutschland gibt.
   
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Ich bin in der Pension Winkler für eine Nacht abgestiegen, da ich den Ort noch etwas erkunden wollte. So war ich unter anderem im “Club Aleman” – dem deutschen Club des Ortes. Das Clubhaus ist auch ein Restaurant und so habe ich unter dem Flair von Hirschgeweihen die deutsche Speisekarte studiert und mir ist das Wasser im Mund zusammen gelaufen. So viele leckere Sachen, die ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gegessen hatte. Da fällt die Auswahl schwer. Letztendlich ist es dann Schweinebraten mit Sauerkraut und Stampfkartoffeln geworden. LECKER!
Ferner habe ich noch das Gebäude der Feuerwehr besucht. Hier fand ich zwei Autos, auf denen auch "Feuerwehr” stand und nicht “Bomberos”. An der Fassade hing ein Bundesadler und darunter ein Schild mit der Inschrift: “Erste Deutsche Feuerwehr Kompanie”. Da kommen schon mal wieder heimatliche Gefühle auf.
  
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Aber auch sonst hat der Ort noch einiges zu bieten. Ein großes Theater wurde am und in den See hinein gebaut, die Uferpromenade hat schöne, kleine Strände und der Blick auf den Vulkan “Osorno” ist zum Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang atemberaubend schön. Der Ort ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Und in meiner kleinen Cabana in der Pension Winkler hatte ich sogar einen Holzofen und konnte seit Monaten mal wieder in einem geheizten Raum schlafen und meine Sachen trocknen. Was für ein Luxus.
  
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Panorama Frutillar 3
   
Bei grauem Wetter ging es dann weiter zum Ende der 1.030km langen Ruta 5 – nach Puerto Montt. Die Hafenstadt mit über 200.000 Einwohnern ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Viel zu bieten hat die rauhe Stadt jedoch nicht. Ich habe nach einer heißen Dusche den Fischmarkt besucht und bin in einen Supermarkt zum einkaufen gegangen. Der Wind pfiff mir eisig kalt durch die Sachen und seit Nachmittag regnet es auch wieder. Also habe ich mich einfach in’s Bett gelegt, den kleinen Gasofen neben meinem Bett angemacht und kann mir in aller Ruhe überlegen wie es weitergeht.
  
Ich bin nun in Patagonien angekommen und vor mir liegt die “Carretera Austral” – eine der schönsten Strassen Amerikas. 1.300 km führt diese Strasse weiter runter in den Süden – von Puerto Montt nach Villa O’Higgins. Schotterpiste, Wellblech, Regen und Wind erwarten mich in einer atemberaubend schönen Landschaft. Da ja auf der Suedhalbkugel Winter ist, sind viele Dienste entlang der Carretera Austral eingeschränkt. Mal schauen, was ich morgen so alles in Erfahrung bringen kann und wie ich mir den Weg runter zusammen puzzle. Auf jeden Fall wird es witterungsbedingt kein Zuckerschlecken werden.
  
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Außerdem ist ein Schweisspunkt an meinem Sattelschlitten wieder gerissen. Muss also morgen noch mal einen Schweißer finden oder einen neuen Sattel kaufen. Und neue Lithium-Batterien für meinen Spot sind auch erforderlich, da das Ding nicht mehr sendet.
 
Zu guter letzt muss ich dann noch eingestehen, dass meine Kraft und meine Motivation merklich nachgelassen haben. Nach fast 22.000km, allen möglichen klimatischen Gegebenheiten sowie Höhen von 0 bis 5.000 Metern fällt es mir morgens immer schwerer aufzustehen und auf das Rad zu steigen. Vorallem die nasse Kälte und die Tristes eines gefühlten deutschen Novembers sitzt in allen Knochen und lässt die Motivation auf Null sinken. Aber die letzten Wochen halte ich auch noch durch, denn solange ist es ja nicht mehr.
Also, Augen zu und durch…. wobei, dann sehe ich von der Carretera Austral ja nichts mehr...Smile.
   

Donnerstag, 23. August 2012

Grauer Himmel, Regen und der Sattelschlitten

Auf der Ruta 5 von Santiago de Chile in den Sueden nach Concepcion.
  
Am letzten Abend gab es im Hostal noch eine Party mit Piscola (Pisco mit Cola) und die Chilenen haben mir versichert, dass Pisco urspruenglich nicht aus Peru, sondern aus Chile stammt. Auf jeden Fall hat das Zeug ganz gut geschmeckt, aber nach zwei Gläsern bin ich in’s Bett, da es am nächsten Tag weiter gehen sollte. Gegen 08:00 Uhr morgens ging es dann los, und es gab am Himmel sogar etwas blaues zu sehen, nicht mehr das graue Einerlei der letzten Tage. Über die Ruta 5 bin ich aus der Stadt raus und die Strasse war wirklich eine Autobahn. Im Sekundentakt rauschten Autos, Busse und LKW an mir vorbei, in passenden Abständen kamen Autobahnraststätten und auch ich konnte auf der ebenen Strasse gut Kilometer machen. Zu meiner linken (also im Osten) begleitete mich der Anden-Hauptkamm mit seinen schneebedeckten Bergen weit über 140km. Immer wieder kleine Orte entlang der Strasse und ein Weinfeld nach dem anderen.
  
    
  

  
Etwas schwieriger war es, einen Zeltplatz zu finden. Die Ruta 5 war total eingezaeunt. Sieben Reihen Stacheldraht schützten die Weinfelder oder Wiesen, Leitplanken die Autofahrer und dazwischen Dornenbüsche und Gräben. Habe dennoch die ersten zwei Naechte nach etwas längerem suchen, etwas gefunden. Einmal inmitten der Weinstöcke sogar mit einer Bank und einem Tisch und einmal habe ich einen Zaun etwas unsanft geöffnet und bin in einem alten, leerstehenden Haus untergekommen.
   
    
  
Die Ruta 5 war ansonsten langweilig und nicht sehr spektakulär. Warum also nicht zurück an den Pazifik? Ich bin in Curico abgebogen in Richtung Westen – und durch das Tal des “Mataquito” geradelt. Ich musste jedoch schnell feststellen, dass das keine gute Idee war. Es wurde nämlich verdammt, verdammt hügelig und der Wind pfiff mir von allen Seiten um die Ohren. Der Himmel war grau in grau und der Regen peitschte mir in’s Gesicht. Es hat mir auf meiner Tour nicht viel ausgemacht, wenn ich Kilometer lang bergauf fahren musste. Aber dieses wellige Profil an der Küste mit den vielen kleinen, gemeinen Steigungen und Downhills hat mich fertig gemacht. Die kurzen Steigungen waren stellenweise so steil, das ich schieben musste. Die Beine schmerzten und meine Lust auf Radfahren schwand mit jeder Stunde. Und wer meint, die Strasse führt schön am Meer entlang hat sich auch getäuscht. Es ging im Hinterland durch Nadelwälder und vorbei an unzähligen Sägewerken. Jedoch konnte ich eine Nacht mein Zelt mal wieder am Ozean aufstellen und dem rauschen der tosenden Wellen lauschen.
  
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Nach einigen Tage war alles irgendwie nur noch klamm und nass und selbst mein Zelt und mein Schlafsack sammelten die Feuchtigkeit. Es mussten ein Hotel und eine heiße Dusche her. In Curanipe, einem kleinen Nest am Meer, war es dann soweit. Aber nicht, weil mir der Ort so gut gefiel, sondern weil an meinem Rad mal wieder ein etwas größeres Problem aufgetaucht ist. Der Sattelschlitten (Verbindungsstück zwischen Sattel und Sattelstuetze) war gebrochen und der Sattel hing daneben. TOLL!!!! Der Ort hatte drei Unterkünfte. Die erste war geschlossen, an der zweiten war alles voll (eine Lüge des Besitzers, denn als er mich tropfnass mit meinem Fahrrad gesehen hat, wollte er mich wohl nicht haben – und ich habe gesehen, dass die Zimmer leer waren) und an der dritten hat man mich zwar etwas komisch angesehen, aber ich konnte bleiben. Anstatt unter die warme Dusche, bin ich erst mal zum örtlichen Schmied gegangen. Dessen Schmiede lag natürlich am anderen Ende des Ortes. Und er hat mir bestätigt, was ich vermutet habe – der Sattelschlitten ist aus Aluminium und somit für ihn nicht zu schweißen. Also Plan B: Mit einem Taxi ging es dann in den nächsten groesseren Ort, da es dort einen Radladen gab. Einen neuen Sattel wollte ich kaufen. Dort angekommen, hatte der Laden natürlich geschlossen. Also wieder zurück und erst mal duschen. Geld für das Taxi war futsch und ich keinen Schritt weiter.
  
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Am Abend und in der Nacht hat es wie aus Eimern geregnet. Meine Sachen, die ich im Hotelzimmer zum trocknen verstreut hatte, waren am nächsten Morgen immer noch klamm. Außerdem schüttete es immer noch aus Eimern. Da kam mir eine Idee, mit der ich drei Fliegen mit einer Klappe erschlagen konnte. Ich fahre mit dem Bus nach Concepcion. 1) Kein Regen im Bus, 2) ich entgehe den verdammten Hügeln an der Küste und 3) dort kann bestimmt jemand Alu schweißen. Das Busfahren gestaltete sich diesmal sogar problemlos und 100km später war ich in der zweit größten Stadt des Landes. Meine Unterkunft ist eine absolute Absteige für 17,00 EUR, und ich kann mich dem Eindruck nicht verwehren, dass die Bettwäsche schon mehrere Gäste gesehen hat. Eine Schweisserbude, die Alu schweißen kann, war nach etwas suchen auch gefunden. Es hat zwar mehr als einen halben Tag in Anspruch genommen, aber der Schlitten ist wieder ok und alles wieder am Rad montiert. Ich hoffe mal, dass mir der Brooks Sattel somit noch bis zum Ende der Reise dienlich ist. Mein Zelt steht auf dem kleinen Balkon des Hotels zum trocknen und die Wäsche ist in der Wäscherei – nicht, weil sie so dreckig ist, sondern auch zum trocknen….
Die Stadt ansich haut mich nicht vom Hocker. Es ist halt eine Industrie- und Hafenstadt ohne Flair. Je weiter ich in den Süden komme, desto mehr deutsche Einflüsse finde ich. Ich wurde bereits zweimal auf deutsch angesprochen, das Wort “Kuchen” ist ein fester Bestandteil der Sprache hier und man findet immer mehr deutsche Produkte.
  
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Mal schauen, ob ich mir heute Abend ein Krombacher gönne. Nach all dem Regen und der nassen Kälte (es ist tagsüber so um die 10 Grad) wäre ein heißer Tee aber wohl die bessere Wahl. Das Wetter soll übrigens nicht gerade besser werden, sondern der Süden wartet mit noch mehr Regen auf. Fazit: Soviel Regen und grauen Himmel wie in den letzten Tagen habe ich auf meiner ganzen Reise zusammen noch nicht gehabt. Und den letzten Regen beim radfahren habe ich irgendwo in Kolumbien gesehen…..Auf jeden Fall macht das die ganze Landschaft ziemlich trostlos und für gute Motivation sorgt es auch nicht gerade.
  
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1.000 km zum 21.

  
20.08.2012 - 12:24 Uhr
Chile, Ruta J 60

Donnerstag, 16. August 2012

Der Akku ist leer

Oder von Calama ueber San Pedro de Atacama, Retour nach Calama und dann nach Santiago de Chile.
  
San Pedro de Atacama ist ein sehr bekannter Ort im Norden Chiles und dort wollte ich auch gerne hin. Eine Oase mitten in einer der trockensten Wüsten der Erde, der Atacama. Von Calama ging es aber erst mal 60km moderat bergauf, dann 20km Sturzflug und die letzten 20km in den kleinen Ort waren ein welliges auf und ab. Kurz nach Sonnenuntergang war ich dort. Der Ort ist touristisch und teuer. Für ein Dorm-Bett musste ich 14 EUR bezahlen, Essen und Getränke habe auch stolze Preise. Nach all den billigen Ländern zuvor ist das ein ganz schöner Preisschock und man wundert sich nur noch. War mir den Abend aber ziemlich egal, denn ich bin nur noch müde in mein Bett gefallen. Am nächsten Tag dann ein gutes Fruehstueck und etwas ausruhen. In der Sonne unter den schattigen Pfefferbäumen rund um die Plaza de Armas ging das ganz gut.
   
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Ich war aber nicht nur hierher gekommen, um den Ort zu sehen, sondern wollte weiter nach El Tatio und zum Gysir. Die Tour ist in meinem Bikebuch als anstrengende Tagestour beschrieben – aber sollte an einem Tag zu machen sein. Um die 92km von San Pedro de Atacama nach El Tatio zu schaffen, bin ich früh schlafen gegangen und am nächsten Morgen sass ich bereits um 05:30 Uhr bei absoluter Dunkelheit und Kälte auf dem Rad und strampelte meinem Ziel entgegen. Kurz nach San Pedro dann ein Schild, dass mir gar nicht gefiel: Der Asphalt hörte auf und die Strasse wurde schlechter und schlechter. Sand, Steine und Wellblech erschwerten das Vorankommen. Schlimmer jedoch waren die stellenweise sehr steilen Anstiege. Hier musste ich regelmäßig absteigen und hatte Mühe und Not, mein Rad den Berg hoch zu schieben. Und die Strasse kletterte die ganze Zeit über unaufhörlich in den Himmel. Viele Pausen, Schiebeeinlagen und verzweifelte Blicke entlang dem weiteren Weg liessen meine Freude auf den Geysir immer weiter schwinden. Gegen 16:30 Uhr zeigte mein Tacho 9 Stunden reine Fahrt- oder besser Schiebezeit an. Ich hatte von den 92km wahnsinninge 40 km geschafft!! Als ich in der Ferne ein Auto erblickte und dieses irgendwann vor mir stand, fragte ich den Fahrer, ob er von El Tatio gekommen ist. Als dieser die Frage mit “Ja” beantwortet hat, war für mich klar, dass ich ohne weitere Anstalten umkehre, denn der weitere Weg sah nicht viel besser aus. Der Gysir kann nur vor Sonnenaufgang bestaunt werden, da die Dampfsäulen mit Sonnenaufgang in sich zusammenzubrechen. Und für zwei Tage hatte ich nicht genug Wasser mit und ich war auch total am Ende mit meinen Kräften. Somit habe ich mein Rad umgedreht und bin die 40km bergab in weiteren 3 Stunden runtergerappelt und habe irgendwann gegen 20:30 Uhr wieder San Pedro erreicht und bin nach einer Dusche in mein Bett gefallen.
  
Panorama El Tatio
    
Am nächsten Morgen taten alle Knochen weh, ich war motivationslos und mir wurde klar, dass ich dringend eine längere Pause brauche – der Akku war leer. Ich habe die beiden grossen Büros der Busunternehmen besucht und wollte ein Ticket von San Pedro nach Santiago lösen. Aber sobald ich was von “Fahrrad” gesagt habe, war Schluss mit Lustig, denn ein Rad wollte keiner Mitnehmen. Hier konnte man merken, dass Chile sehr europäisch geprägt ist und einfache Dinge, die vorher ohne Probleme möglich waren, wurden ohne ersichtlichen Grund zum grossen Problem. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als die 100km nach Calama mit dem Rad zurück zu fahren. Die Aussicht auf die 60km Talfahrt haben mir etwas Antrieb gegeben – aber davor musste ich mich erst mal die 20km rauf zum Pass “Barros Arana” quälen. Die Strasse führte durch die “Llano de la Paciencia” – die “Ebene der Geduld”. Und bei den Aussichten wurde meine Geduld auch auf eine harte Probe gestellt.
    

   
Oben am Pass angekommen – es war bereits nach 16:00 Uhr – blies mir dann der tägliche, stuermische Südwest-Wind in’s Gesicht und ich musste bergab weiterhin in die Pedalen treten, damit mich der Wind nicht zu sehr ausbremst. Trotzdem lief es halbwegs gut runter und ich habe 20km vor Calama mein Zelt aufgestellt. Am nächsten Morgen bin ich dann in die Stadt und habe die Busunternehmen abgeklappert und gehofft, eines zu finden, das mein Rad mitnimmt. Beim 5. hatte ich dann Glück. Für 25.000 Pesos konnte ich von Calama nach Santiago fahren, musste mein Rad nicht unnötig demontieren oder etwas extra bezahlen – theoretisch und laut der Chica hinter dem Schalter. Die Wahrheit am nächsten Morgen sah etwas anders aus. Der Busfahrer verdrehte nur die Augen und wollte, dass ich mein Rad auseinander nehme. Ich habe ihm nur erklärt, dass ich kein Werkzeug dafür habe und lediglich mein Vorderrad rausnehmen kann. Dann kam das Rad in den Kofferraum und unter meinem Protest wurden zahlreiche Koffer auf meinem Rad gestapelt. Außerdem sollte ich 10.000 Pesos extra für das Rad bezahlen. Alles zetern und lamentieren half nichts. Als ich mein Protemonai zückte und dem Fahrer gezeigt habe, dass ich nur noch 6.000 Pesos in der Tasche habe, gab er sich damit zufrieden. Dann startete eine 20-stuendige Odyssee in einem engen Bus, denn mein netter Vordermann hat sofort nach dem hinsetzen seinen Sitz bis zum Anschlag nach hinten gekippt. Aber auch die längste Fahrt geht einmal vorbei uns ich stand am Sonntag morgen um 07:00 Uhr in Santiago de Chile, der Hauptstadt des Landes, in der mehr als 5 Mio. Menschen leben.
Es war kalt, bewölkt, regnete leicht und alles war irgendwie nur grau in grau. Kein Wunder, es ist ja auch schließlich Winter auf der Suedhalbkugel. Außerdem war ich das erste mal seit Monaten wieder unterhalb von 3.000 Metern und die Luft war voll da, ohne dass man leicht in’s schnaufen gekommen ist. Ich habe ein gutes Hostal gefunden und es stand für mich fest, dass ich hier wohl ein paar Tage länger verbringen werde.
  
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Wie schon gesagt, ist Chile sehr europäisch geprägt – und viele Dinge, die ich in den letzten Monaten vermisst habe, findet man hier wieder. Es ist möglich in kleinen Läden mit grossen Geldscheinen zu bezahlen, Tiendas (kleine Läden) sind sehr gut sortiert und man findet viele Dinge einfacher. Große Supermärkte oder Shopping Malls haben fast alles, was das Herz begehrt. Wasser aus der Leitung ist trinkbar und es gibt Toilettenpapier auf den Toiletten. Seit Mexiko bin ich eigentlich nie ohne meine eigene Rolle Klopapier aus dem Haus gegangen. WIFI ist wieder verstärkt zu finden und die Bürgersteige sind begehbar. Die Auswahl an Restaurants beschränkt sich nicht nur auf “Pollo con Papas” oder “Hamburgesas”. Der Verkehr ist geordnet und das ewig hupen ist fast verstummt. Der Nachteil all dieser Dinge: das Preisniveau ist wie bei uns. Somit wird die letzten Wochen wohl wieder vestaerkt zelten und selber kochen auf dem Programm stehen. Man kann hier in einer Woche soviel Geld ausgeben, wie in drei Wochen Bolivien – und in Bolivien konnte man es sich die drei Wochen richtig gut gehen lassen, mit Hotel und Essen gehen. Ist schon krass.
   
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Ich habe die Hauptstadt auf jeden Fall genutzt, um mir nach über einem Jahr mal neue Schuhe und andere Kleinigkeiten zu kaufen. Mein Rad hat die schlechten Pisten auch nicht wirklich überstanden und ein Knacken im Hinterrad war wieder da. Ein guter Radladen, der sich dem Problem angenommen hat, war schnell gefunden. Ferner habe ich die Tage genutzt, um im Hostal zu kochen und ordentlich Kalorien zu tanken. Ein gutes Bier oder eine Flasche Wein haben beim Abendesse nicht gefehlt. Stadtbesichtigung habe ich auf ein Minimum beschränkt, da ich die Zeit wirklich zum Ruhen und Erholen nutze.
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Außerdem habe ich Nägel mit Köpfen gemacht und meinen Heimflug nach Deutschland gebucht. Ich werde am 21. Oktober von Ushuaia über Buenos Aires und Madrid nach Düsseldorf fliegen und dort am 22.10. landen. Somit bleiben mir noch zwei Monate um mein Ziel Feuerland zu erreichen – aber das sollte reichen. Am Samstag geht es weiter in Richtung Süden und zur Carretera Austral. Ich bin zwar von der Jahreszeit her gesehen etwas zu früh dran, aber irgendwie wird es schon gehen.
    
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Dienstag, 7. August 2012

Radfahren in Süd-West Bolivien

Im Internet gibt es einen Tourenguide, der den Radler mit einigen Informationen über die einsamste Gegend Boliviens versorgt. Zitate aus dem Tourenguide:

No matter where you cycle in Bolivia, it will most likely be a challenge, but none more so than in the south western region.

So, if you are wondering why anyone would want to compel themselves to long periods of bike pushing in deep sand and along washboard surfaces, limited options for obtaining water and food supplies and often achieving only 30 kilometres a day….

 Roads: These will be your biggest nightmare in the southwest especially…..

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Das alles entspricht der Wahrheit und ist nicht untertrieben. Es war hart in den letzten Tagen.

Nachdem ich aus dem Talkessel von La Paz raus war, ging es über das Altiplano zügig in Richtung Oruro, wo ich bereits zwei Tage später angekommen war. Hier gab es noch mal einen Ruhetag, den ich genutzt habe, um Lebensmittel zu kaufen und das Rad auf Fordermann zu bringen. Dann ging das Abendeuer los. Mit einem schwer beladenen Rad (Lebensmittel für 5 Tage, Wasser, Kocherbenzin…..) bin ich aus Oruro raus. Gute 170km ging es noch auf Asphalt in Richtung Süden, dann bei Quillacas hörte der Asphalt für die nächsten 500km auf. Die folgenden Tage ging es dann über Waschbrett-, Sand- und Steinpisten weiter. Langsames fahren, schieben, Rad tragen, auf- und absteigen sowie fluchen gehörten zum Radleralltag. Auch mit der Versorgung wurde es schwieriger, da ich nun im Nichts von Süd-West Bolivien war. Wasser und Lebensmittel waren genau eingeteilt. Die Nächte und die ersten Morgenstunden waren immer eisig, eisig kalt. Aufstehen vor Sonnenaufgang unmöglich, wenn man nicht erfrieren wollte. Mittags knallte dann die Sonne vom Himmel und gleichfalls kam jeden Tag um diese Zeit ein leichter Gegenwind auf, der am späten Nachmittag stellenweise Sturmstaerke erreicht hat. Und das alles Tag für Tag für Tag für Tag….

Warum ich diese Route gefahren bin? Die Landschaft ist einfach einmalig schön, die Farben der Natur sind unbeschreiblich intensiv, die Stille (vorallem in der Nacht) ist unbeschreiblich, die Sterne funkeln so klar vom Himmel und es ist ein wirkliches Abendeuer fernab jeglicher Zivilisation. Das alles entschädigt für die unglaubliche Tortour.

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Ein Highlight, auf das ich mich seit Wochen gefreut habe, war der Salar de Uyuni – der größte Salzsee der Erde. Ich konnte es kaum erwarten hier zu fahren. Der Salar hat sich bis zum Schluss hinter dem Vulkan Thunupa versteckt und seine wahre Groesse – oder besser Unendlichkeit – erst im letzten Augenblick gezeigt. Im Norden bin ich dann endlich auf den Salar drauf und hatte mit einer schönen, ebenen Salzfläche gerechnet, auf der man förmlich dahinfliegt. Fehlanzeige. Die Oberfläche war dermassen uneben, dass jegliche Freude verflogen war. Mit 7 km/h bin ich über den Salar gehukelt. Ich würde sagen: Geschüttelt, nicht gerührt. Die “Isla Incahuasi” in der Mitte des Sees, habe ich erst am späten Nachmittag erreicht – nach 59 schrecklichen Kilometern. Ich konnte mich nicht mal darueber freuen, dass ich meine 20.000km auf dem Salar voll gemacht habe. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Auf der Insel gibt es ein Refugio, in dem Radfahrer uebernachten koennen (Achtung: Preise haben sich verdoppelt. Inseleintritt 30 Bolivianos, Uebernachtung auch 30 Bolivianos). Hier traf ich auf die beiden Radler Gerard (Holland) und Andreas (Oesterreich), die genau wie ich über den Salar geholpert sind und vergebens eine Art Strasse gesucht haben. Nachdem man um 20:30 Uhr noch versucht hatte, uns aus dem Refugio in eine Abstellkammer zu verlegen (wir haben uns geweigert) war der Tag perfekt. Aber all das war am nächsten Tag vergessen, denn auf dem weiteren Weg in den Süden war der Salar dann so, wie ich mir das vorgestellt habe. Auf einer “Strasse” ging es eben dahin und die Kilometer flogen nur so. Das Salz knackte unter meinen Reifen, hier und da hielt ein Jeep an und die Touristen fotografierten den verrueckten Radfahrer. Das unendliche weiss, die Ruhe und die gute Piste haben den Salar somit doch noch zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.

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Mein GPS, das ich hier wirklich zum ersten mal gebraucht habe, hat mir den Ausgang vom Salar gezeigt und mich an so mancher Kreuzung auf den richtigen Weg gebracht. Denn seinen Weg hier zu finden, war bei all den Sandpisten nicht immer einfach. San Juan de Rosario war dann der erste groessere Ort nach dem Salar. Ich bin in einem kleinen Hostal untergekommen und habe alle Tiendas im Ort abgeklappert um mir Lebensmittel für die nächsten fuenf Tage zu kaufen. Am schwersten war es, Brot zu bekommen. Dann ging es weiter in Richtung Grenze zu Chile. Die Ausreise verlief ohne Probleme. An der Grenze traf ich noch auf ein junges bolivianisches Maedchen, das nach Chile einreisen wollte. Sie brauchte mal eben 3.000 US $ um dort einreisen zu duerfen. Ich sollte ihr doch mit dem Geld aushelfen – kein Problem, mein Satteltaschen sind ja schliesslich voll mit Dollares….. soll heissen, ich konnte ihr nicht helfen, was sie nicht so ganz verstanden hat, da ich ja angeblich auch dieses Geld brauchte, um in Chile einzureisen.

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In Chile gab es dann eine Lebensmittelkontrolle, da man tierische Produkte nicht einfuehren darf. Meinen Kaese habe ich ganz unten in der Satteltasche versteckt, da ich den nicht hergeben wollte. Die anderen Lebensmittel habe ich gezeigt – und durfte alles mit über die Grenze nehmen. Nur Geld umtauschen war nicht moeglich. Gut, dass ich in La Paz schon etwas Geld getauscht hatte. Es ging weiter über schlechte Pisten zum Salar de Carcote und dem wunderschoenen Salar de Ascotan. Schneebedeckkte Vulkane ragten in den blauen Himmel und der Wind verursachte so manchen Sandsturm. An einem kleinen Polizeiposten auf einem 4.000 Meter hohen Pass konnte ich Wasser bekommen, aber leider kein Benzin für meinen Kocher. Also blieb die Kueche am letzten Abend im Nichts kalt. Der erste richtige Ort in Chile war “Chui Chui” und hier kam dann der ersehnte Asphalt wieder. Dennoch ging es nicht wesentlich schneller voran, denn der Gegenwind meinte es an diesem Nachmittag nicht besonders gut mit mir. 11 Tage nachdem ich Oruro verlassen hatte, stand ich dann in Calama, einer grossen Stadt mitten in der Atacama Wueste. Ich bin zur Bank, um Geld abzuheben und dann in einen Supermarkt. Hier stand ich ziemlich ueberwaeltigt vom Warenangebot zwischen den Regalen und wusste gar nicht, was ich alles kaufen sollte. Auf jeden Fall habe ich Kaese gekauft, der nach langer Zeit mal wieder nach Kaese geschmeckt hat und es gab reichlich Obst nach all den entberlichen Tagen.

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PS: Weitere Infos ueber Radfahren in Sued-West Bolivien gibt es in hier.